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Börse entdecken. Ein Ort mit Geschichte.

Als 1820 der Aktienhandel begann, fand er noch meist unter freiem Himmel statt. Schnell war jedoch klar, dass der Handel ein festes Zuhause brauchte. 1694 bezog man das Haus „Großer Braunfels“ am Liebfrauenberg als festen Versammlungsort. Mit dem Aufstieg Frankfurts zu einem internationalen Kapitalmarkt und neben London und Paris zur Weltbörse kam 1843 der Umzug in ein eigens erbautes repräsentatives Börsengebäude an der Paulskirche. 

Das heutige Börsengebäude wurde 1879 eingeweiht. 1944 wurde es durch Luftangriffe schwer beschädigt, bevor es 1945 als erste Börse Deutschlands wiedereröffnet wurde. Neben Hauptbahnhof und Alter Oper gehört die „Neue Börse“ auch heute noch zu den bedeutendsten Frankfurter Bauwerken der Wilhelminischen Epoche. Begeben Sie sich auf historische Spurensuche rund um und durch das Gebäude: 

Die Statuen im Säulengang – Symbol für Internationalität

Steigt man die Treppenstufen zum Eingang der „Neuen Börse“ hinauf, wird man im sogenannten Säulengang von sechs Statuen empfangen. Diese schmückten bereits die Fassade des ersten Börsengebäudes am Paulsplatz. Um die internationale Bedeutung des Frankfurter Geld- und Warenhandels darzustellen, wurden 1840 zwei Bildhauer beauftragt, die ursprünglich sieben Skulpturen herzustellen: Eduard Schmidt von der Launitz schuf die Allegorien Seehandel, Landhandel und Australien; Johann Nepomuk Zwerger war mit der Umsetzung der verbliebenen vier Kontinente Asien, Europa, Amerika und Afrika betraut. Die Figur des „Seehandels“ wurde 1944 bei einem Bombenangriff zerstört. 


 

Fassadenschmuck – Skulpturen symbolisieren Industrie- und Wirtschaftszweige

Die sechs Statuen im Säulengang sind nicht die einzigen, die die Fassade des Gebäudes schmücken. Die nach dem Vorbild der Bibliothek von San Marco in Venedig geschaffene Fassade ist mit zahlreichen weiteren Figuren dekoriert. Sie wurden 1878-79 von verschiedenen Bildhauern speziell für die „Neue Börse“ geschaffen und nehmen Bezug auf die Hauptzweige von Industrie und Wirtschaft, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts das Börsengeschäft beeinflussten: Auf dem Gesims der Vorhalle des Mitteltrakts entdeckt man Skulpturen von Kindern, die mit Brief, Posthorn, Schiff, Dampflock und Morseapparat spielen. Sie verweisen damit auf die Figuren einige Meter über ihnen: Von der Dach-Balustrade blicken die Allegorien Post, Handel, Schifffahrt, Eisenbahn, Industrie und Telegrafie auf das Geschehen auf dem Börsenplatz hinunter.


Ludwig-Erhard-Gedächtnistafel – Erinnerung an einen Meilenstein der deutschen Wirtschaftspolitik

Auch die Historie der Nachkriegszeit hat ihre dekorativen Spuren am Börsengebäude hinterlassen: Direkt neben einer der Eingangstüren entdeckt man eine Bronzetafel, die an Ludwig Erhard erinnert. Nun liegt die Frage nahe: Was verbindet Ludwig Erhard mit der Frankfurter Börse? Die Antwort: einer der wichtigsten Momente in der wirtschaftspolitischen Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwischen 1947 und 1949 war Frankfurt der Ort für wirtschaftspolitische Verhandlungen. Die Stadt verfügte nur noch über zwei funktionsfähige Säle, die hierfür geeignet waren – einer davon war die ehemalige Getreidebörse im Börsengebäude. Hier tagte der Wirtschaftsrat und in den frühen Morgenstunden des 18. Juni 1948 wurde hier nach heftigen Auseinandersetzungen das „Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform“ beschlossen – die Grundlage für Ludwig Erhards soziale Marktwirtschaft und das sog. Wirtschaftswunder. 
 

Die Händlerkabinen – der Draht zur Außenwelt

Das Innere der „Neuen Börse“ sieht heute ganz anders aus als zur Zeit ihrer Eröffnung 1879. Aber nicht nur die Erbauer, die beiden Frankfurter Architekten Heinrich Burnitz und Oskar Sommer, würden sich in „ihrem“ Gebäude nicht mehr ohne Weiteres zurechtfinden; auch der eine oder andere Börsenhändler, der hier in den 1980er Jahren täglich ein- und ausging, würde einiges vermissen: Viele Elemente, die den Börsenhandel über Jahrzehnte prägten, sind heute verschwunden. Dazu gehören neben den Telegraphen die vielen kleinen Kabinen für die Börsenhändler. Sie waren mit Telefon, Einbauschränken, Stiften und Papierblöcken ausgestattet und im ganzen Gebäude verteilt. Dort konnten die Börsenhändler Kontakt zu den Banken halten, bei denen sie angestellt waren und in deren Namen sie handelten. Telefonisch erhielten sie die Order, woraufhin sie bei den amtlichen Kursmaklern einen handelbaren Kurs erfragten. Einige der Kabinen sind auch heute noch vorhanden; die festinstallierten Telefone wirken wie aus der Zeit gefallen. Ende der 1980er Jahre gab es den ersten Schritt in Sachen Vereinfachung der Ordererteilung: Mobiltelefone ersetzten nach und nach die Festnetzgeräte.  


 

Die Handelsschranken – der etwas andere Bankschalter

Sie prägen seit jeher den Großen Handelssaal und damit das Herzstück des Gebäudes: die Handelsschranken. Ursprünglich dienten sie der räumlichen Trennung zwischen den amtlichen Kursmaklern, die mit der Preisfeststellung beauftragt waren, und den Börsenhändlern, die im Auftrag der Banken Orders ausführten. Die früheren Schranken hatten an der Außenseite eine Art Ablage – dort konnten die Händler ihr Händlerbuch ablegen und ihre Orders und Geschäfte notieren. Seit der Modernisierung bzw. Digitalisierung des Handels ist diese ursprüngliche Funktion der Schranken etwas in den Hintergrund geraten. Allerdings dürfen sich auch heute noch nur berechtigte Personen innerhalb der Schranken aufhalte: Angestellte der Handelsteilnehmer (die sog. Spezialisten) sowie Mitarbeiter der Handelsüberwachungsstelle. So ist sichergestellt, dass niemand unbefugt Zugriff auf die vertraulichen Daten im Orderbuch hat.